10. September 2018, 14:16 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Egal ob öffentlich-rechtlich oder privat: Inzwischen bietet nahezu jeder Fernsehsender seine eigene Mediathek an, mit der Sie das TV-Programm unterwegs auf dem Handy schauen oder verpasste Sendungen auch nach der TV-Ausstrahlung abrufen können. Der große Test von TECHBOOK zeigt, was die Apps so bieten und welche sich wirklich lohnt.
Für den Test hat TECHBOOK die Apps von ARD und ZDF ausgesucht, da diese auch die Dritten Programme beinhalten und somit das gesamte öffentlich-rechtliche TV-Programm nahezu komplett abdecken. TV Now steht für die privaten Sender; hier gibt es alle Sender der RTL-Gruppe. Die drei Testkandidaten bilden die Free-TV-Landschaft in Deutschland so sehr umfassend ab.
Die wichtigsten Kriterien für den Test waren die Kosten, die Bildqualität beim Streaming, die Programmauswahl, die Häufigkeit der Werbeeinblendungen und die Nutzerfreundlichkeit der Mediathek.
ARD und ZDF
Die Mediatheken von ARD und ZDF sind nicht miteinander verknüpft, jeder der beiden Sender bietet sein Programm in einer eigenen Mediathek an. Im Angebot der ARD (seit 2008 online) sind neben dem Hauptprogramm auch die Mediatheken der Dritten Programmen sowie der Sender Arte, One, KIKA, ARD-Alpha, EinsPlus und öffentlich-rechtliche Radiosender zu finden. Die ZDF Mediathek (startete 2001) ist hier etwas schmaler aufgestellt und umfasst neben dem ZDF noch die Spartensender ZDFneo und ZDFinfo. Zu sehen gibt es eine vielfältige Auswahl an Dokumentationen, eigenproduzierten Serien und Filme verschiedener Genres sowie Nachrichten und Unterhaltungsshows. Darunter absolute Erfolgsformate der Öffentlich-Rechtlichen wie der „Tatort“ (ARD) und „Bares für Rares“ (ZDF).
Schade: Das komplette TV-Programm ist aus rechtlichen Gründen nicht verfügbar, etwa die „Sportschau“ in der ARD mit den Bundesliga-Highlights. Beliebte Sendungen wie den „Tatort“ gibt es zwar, sie sind aber oft nur zeitlich begrenzt nach der Erstausstrahlung – in der Regel ein bis zwei Wochen – online zu sehen. Die einzelnen Programme werden dabei allerdings nicht wie bei der Konkurrenz durch Werbung unterbrochen. Auch ein Livestream steht in den Mediatheken zum Abruf bereit – so braucht man nich mal einen Fernseher zum Empfang und kann die Sender sogar auf dem Smartphone oder Tablet unterwegs abrufen. Zuschauer müssen aber mit einer Verzögerung von mindestens 30 Sekunden im Vergleich zu den klassischen TV-Empfangswegen rechnen.
Sowohl die Sendungen in den Mediatheken als auch die Livestreams sind in Full-HD abrufbar und sehen deshalb nicht nur auf dem Smartphone, sondern auch auf dem großen Fernseher sehr gut aus. Bei den Mediathek-Programmen verzichten die Sender zwar meist auf das charakteristische HD-Logo, in den Informationen findet sich jedoch der entsprechende Hinweis.
Die Navigation durch die Mediatheken von ARD und ZDF fällt leicht. Trotz der großen Programmvielfalt sind die Sendungen übersichtlich nach Kategorien und Veröffentlichtungsdaten angeordnet. Besonders die Browserversion auf dem Rechner ist lässt kaum Wünsche offen. Die kompakteren App-Versionen der Mediatheken können da aus Platzgründen nicht mithalten.
Beide Mediatheken sind dank der Rundfunkgebühren, die fast jeder Haushalt entrichten muss, für alle Zuschauer kostenlos. Eine Anmeldung ist trotzdem möglich, Nutzer können so von allen Geräten auf Ihre Sendungsmerkliste zuzugreifen und angefangene Programme später fortzusetzen. Auch der Download einzelner Sendungen auf das eigene Gerät ist möglich: Etwa 50 maximal eine Woche alte Sendungen stehen in der ZDF-Mediathek zur Auswahl. Wer das komplette Angebot downloaden möchte, benötigt eine extra Drittanbieter-App namens MediathekView.
Die Mediatheken empfangen Sie auf nahezu allen Geräten. Auf vielen Smart-TVs sind sie bereits vorinstalliert oder können zumindest heruntergeladen werden. Ansonsten können Sie die Apps auf Ihrem Fernseher auch über Amazon Fire TV, Android TV, Apple TV 4, Telekom Entertain TV und die Sky TV Box starten. In den App-Stores von Google und Apple gibt es die Mediatheken-Apps für Android-Smartphones, iPhones und iPads ebenfalls.
Anfang September kündigte die ARD auf der Elektronikmesse IFA an, die eigene Mediathek stark überarbeiten zu wollen. Eine Beta-Version gibt es zwar schon, diese ist aber lediglich ein Blick in die Werkstatt und keine finale Version, wie „ARD online“-Leiter Benjamin Fischer der Deutschen Presse-Agentur verriet. TECHBOOK testet die neue Mediathek, sobald die finale Version im Winter erschienen ist.
TECHBOOK meint
„Die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen fühlen sich ja fast schon an wie YouTube. Von der dreiteiligen Hells-Angels-Doku, zu einer Folge „Bares für Rares“, Politiksatire wie „extra 3“ oder verschiedensten Filmen gibt es alles. Vor allem beim ersten Einschalten gibt es also erstmal einiges zu erkunden und zu sehen. Aber Vorsicht: Im Gegensatz zu YouTube sind viele Inhalte nur zeitlich begrenzt verfügbar. Wer gerne YouTube und Streamingdienste konsumiert, sollte diese Mediatheken definitiv regelmäßig abchecken.“ – Andreas Filbig, Redakteur
große Auswahl, interessante Inhalte, gut strukturiert
TV Now
Die RTL-Mediathek TV Now (früher RTL Now) umfasst die Sender RTL, Vox, RTL 2, RTL Nitro, NTV, RTL Plus, Super RTL und den US-Serien-Sender Now US, den es nur bei TV Now gibt. Der Umfang der abrufbaren Inhalte beschränkt sich hierbei auf deutsche Serien, Reality TV, Quizshows oder Ratgeber. Wer also nicht genug von „Deutschland sucht den Superstar“, „Let’s Dance“, „Alarm für Cobra 11“, „Wer wird Millionär“ oder „Berlin – Tag & Nacht“ bekommt, wird hier schnell fündig. Auch Sportereignisse wie die Formel 1 sind dabei. Hollywood-Filme, die etwa am Wochenende zur Primetime laufen, gibt es nicht.
RTL hat sich für ein sogenanntes Freemium-Modell entschieden, Nutzer können also auf einige Inhalte kostenlos zugreifen, für andere wiederum ist ein Abo für 2,99 Euro im Monat nötig. Was gibt es für lau? Von den knapp 650 Serien und Filmen in der Mediathek sind immerhin fast die Hälfte auch ohne Abo abrufbar, bei Aushängeschildern wie „Wer wird Millionär“ oder „Deutschland sucht den Superstar“ steht die jeweils letzte im TV ausgestrahlte Folge eine Woche lang bereit. Ältere Episoden gibt es in der Mediathek nur für Abonnenten.
Einen Live-Stream gibt es ebenfalls nur für Abonnenten, diese können dann jederzeit das lineare TV-Programm aller Sender der RTL-Gruppe auch unterwegs mit dem Smartphone oder dem Laptop schauen. Die Qualität des Live-Streams sowie auch von den abrufbaren Videos ist auf kleinen Bildschirmen okay, gezogen auf ein größeres Display wirkt das Bild aber manchmal schwammig und recht unscharf. Das ist besonders ärgerlich, wenn man TV Now etwa über den Fire TV oder die Smart-TV-App auf dem Fernseher schaut. Ein HD-Bild gibt es nämlich nicht, wie ein RTL-Sprecher gegenüber TECHBOOK noch einmal bestätigt.
Egal ob man Abonnent ist oder nicht: Werbung wir immer eingespielt, allerdings ist die Länge unterschiedlich. Bei einer 45-minütigen Folge „Köln 50667“ bekommt man als Abonnent nur zu Beginn 30 Sekunden Werbung angezeigt, danach nicht mehr. Anders sieht es ohne Abo aus: Die Folge wird hier in drei Teile aufgeteilt, der erste ist 26 Minuten lang, der zweite 9 und der dritte knapp 6 Minuten. Dazwischen gibt es immer 30 Sekunden Werbepause, insgesamt also 90 Sekunden.
Die Smartphone-App TV Now Plus im Android– und iOS-Store ist zwar kostenlos, lässt sich aber ohne das Abo nicht nutzen. Sie ist mit ihren großen Flächen sehr übersichtlich und bietet das gesamte Programm sortiert nach dem Alphabet inklusive Live-Stream der Sender an. Gut: Angefangene Sendungen können überall weitergeschaut werden.
Einen Pluspunkt gibt es zudem für das „Privacy Center“, in dem Nutzer schnell und übersichtlich die Privatsphäre-Einstellungen anpassen und „Interessenbezogene Werbung“ oder „Personalisierte Push-Benachrichtigungen“ mit einem Klick abschalten können. Eine Download-Funktion, um Sendungen auch ohne Internetverbindung zu schauen, gibt es nicht. Die App gibt es für Android-Smartphones, iPhones, Amazon Fire TV und Google Chromecast.
TECHBOOK meint
„RTL zeigt, wie man eine Mediathek richtig aufsetzt: Übersichtlich, preislich deutlich unter Netflix und damit auch noch als Zweit-Dienst erschwinglich und mit großer Programmauswahl. Wer das RTL-Programm mag, wird an TV Now sicher seine Freude haben “ – Steven Plöger, Redaktionsleiter
fairer Preis, große Auswahl, Live-Stream
Joyn
Joyn ist der neue Player auf dem Markt, in den beispielsweise 7TV, das Mediatheken-Angebot der Sendergruppe ProSiebenSat1, eingegliedert wurde. 7TV umfasste die Sender ProSieben, Sat 1, Kabel 1, Sixx, Dmax, TLC, Sat 1 Gold, Kabel 1 Doku, Prosieben Maxx und Eurosport. Zusätzlich zum Livestream von TV-Inhalten stellt Joyn auch kostenlos jederzeit abrufbare On-Demand-Inhalte zur Verfügung. Die Plattform bietet bekannte US-Serien und jede Menge lokale Produktionen an. Eigenproduktionen sind geplant. Prominenteste Serie ist momentan sicherlich „jerks.“, die Comedy-Serie mit Christian Ulmen und Fahri Yardim.
Bisher sind wir noch nicht dazu gekommen, Joyn, das am 18. Juni 2019 an den Start ging, zu testen. Allgemeine Infos zum Angebot finden Sie in unserem Artikel Alle Infos zum deutschen Streamingdienst Joyn.
Wo Sie Fernsehen im Internet kostenlos schauen können
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Kosten, Programm … Welche Vorteile bietet das Streaming-Abo Joyn Plus?
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Fazit:
Mit knappen Vorsprung setzten sich die Mediatheken von ARD und ZDF an die Spitze unseres Tests: Die Programmauswahl umfasst von Krimis über Talkshows hin zu Unterhaltung und Dokus nahezu jedes Genre, die Bildqualität ist auf hohem Niveau, es gibt selbst für die Dritten Programme Live-Streams und sogar eine Download-Funktion fürs Smartphone, um einige Inhalte auch offline zu sehen. Da die Dienste von den Rundfunkgebühren bezahlt werden, fallen keine weiteren Kosten an. Ein rundes Paket!
Ebenfalls gelungen ist die Mediathek der RTL-Gruppe: Wem das öffentlich-rechtliche Programm nicht zusagt, findet hier besonders im Bereich Show und Unterhaltung zahlreiche Inhalte. Vieles ist kostenlos, der Preis von 2,99 im Monat für alle Serien und Filme, weniger Werbung und der Nutzung der App ist fair. Schade: Zumindest für zahlende Kunden hätte RTL die Inhalte auch in höherer Bildqualität zur Verfügung stellen können. Insgesamt trotzdem ein gelungenes Angebot.
Wir freuen uns außerdem schon darauf, den neuen Anbieter Joyn zu testen! Das Konzept scheint verheißungsvoll und das Angebot ist schon jetzt erstaunlich breit gefächert.