21. März 2019, 6:30 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Selbst erfolgreiche Serien enden bei Netflix oft nach wenigen Staffeln, trotz zahlreicher Fans und Protestaktionen. Die Gründe dafür könnten bei Netflix selbst und seinem Geschäftsmodell liegen.
Daredevil wurde nach drei Staffeln beendet. Luke Cage wurde nach zwei Staffeln beendet. Jessica Jones endet nach der noch ausstehenden dritten Staffel. Doch es trifft nicht nur Marvel-Serien. Auch die Krimi-Serie Narcos fand nach drei Staffeln ein Ende. Unbreakable Kimmy Schmidt: vorbei nach vier Staffeln. Neuester Zugang – oder Abgang – ist die Sitcom One Day at a Time, die ebenfalls nach drei Staffeln abgesetzt wird. Grund dafür sind dabei nicht unbedingt die Quoten, immerhin durften sich alle Serien einer großen Fanbase erfreuen. Im Falle von One Day at a Time und anderen Serien, wie Fuller House, Sabrina oder Lost in Space, hat Netflix sich ja sogar Rechte an älteren Serien gesichert und diese für die Fans von damals neuaufgelegt. Fans, die hoffentlich zu neuen Abonnenten des Streamingdienstes werden.
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Was lässt Netflix in (un)schöner Regelmäßigkeit kalte Füße bekommen?
Die kurze Antwort auf die Frage: vermutlich sind es die Kosten. Netflix geht bei der Produktion der Serien in Vorleistung. Wie das gewöhnlich gut unterrichtete Insider-Portal Deadline erklärt, zahlt Netflix die Produktionskosten sowie eine Prämie in Höhe von bis zu 30 Prozent bereits bei Produktionsstart. Die Verträge sind also so strukturiert, dass die produzierenden Studios ab dem ersten Tag an der Serie verdienen. Im Gegenzug sichert Netflix sich die kompletten Rechte an der Produktion, Vertrieb oder Merch. Hinzukommend beinhalten die Deals Boni, die nach jeder Staffel fällig werden und jedesmal einen größeren Sprung nehmen, so dass Netflix Hunderttausende oder Millionen Dollar zahlen müsste, entschiede man sich eine Serie nach der dritten Staffel noch zu verlängern.
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Ein Beispiel: Game of Thrones wird vom Kabelnetzwerk HBO produziert, ist in Deutschland über Sky oder TNT zu sehen und läuft irgendwann im Free-TV auf RTL2. Serien wie Sense8, The OA oder auch Stranger Things laufen nur bei Netflix. Und landen vermutlich auch nie auf einem amerikanischen Network, geschweige denn bei uns im Free-TV. Selbst bei den gecancelten Marvel-Serien ist nicht klar, ob sie tatsächlich Teil von Disneys neuem Streamingdienst werden. Die Verträge zwischen Disney und Netflix verbieten eine Weiterverwertung der Serien, zumindest für ein paar Jahre.
Im Gegenzug gibt Netflix den Produzenten von Serien und Filmen sehr viel Freiheit, wie etwa auch der Oscar-nominierte Film Roma zeigt. Regisseur Alfonso Cuarón hatte angeblich ein Budget von über 15 Millionen Dollar zur Verfügung, für den Dreh wurden 100 Drehtage festgesetzt. Mehr als doppelt so viele wie bei anderen Filmen dieser Art.
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Datengetriebene Unterhaltung
Neben dem Geld spielen aber auch die Daten, die Netflix sammelt, eine enorm wichtige Rolle. Startet eine neue Staffel oder Serie kann Netflix sehr genau verfolgen, wann, über welches Gerät wie viele Accounts zuschauen. Viele Entscheidungen des Unternehmens basieren auf diesen Daten und auf Algorithmen. Braucht eine Staffel wirklich 13 Episoden, was relativ traditionell im Serien-Bereich ist? Oder reichen auch weniger? Genau so ist Netflix demnach darauf gekommen, dass zehn Episoden oder weniger pro Staffel das Ideal darstellen. Jede weitere Episode würde keinen Mehrwert bringen, sondern lediglich zusätzliche Kosten für das Unternehmen bedeuten. Ähnliche Überlegungen trifft Netflix wohl auch bei der Staffel-Anzahl, wenn eine Serie nach zwei Staffeln nicht genügend Zuschauer anlockt, wird sich das auch mit weiteren Staffeln der Serie nicht ändern.
Stattdessen entscheidet sich Netflix regelmäßig neue Serien ins Programm zu hieven, nicht nur, um bestehende Abonnenten zu erfreuen, sondern auch um neue Kunden anzulocken. Oder eben alte Fans von alten Serien zu neuen Kunden zu machen. Unterstützt wird Netflix dabei von den Zuschauern. Nichts hilft besser, als Empfehlungen von Freunden und Bekannten. Und wenn eine Produktion zu Ende ist, steht eine neue bereits in den Startlöchern. Denn Branchenbeobachtern zufolge seien Fans zwar enttäuscht, wenn eine Serie abgesetzt wird, durch das große Angebot von Netflix aber fehle die Motivation, das Abonnement zu beenden.
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Netflix ist nur der Anfang
Auch andere Streaming-Anbieter agieren mittlerweile ähnlich. So wurden beim Anbieter Hulu viele Serien nach der zweiten- oder dritten Staffel beendet. Amazon hat erst kürzlich angekündigt, dass „The Man in the High Castle“ nach der vierten Staffel enden wird. Überhaupt schaffen es gerade nur zwei Amazon-Serien über vier Staffeln hinaus: Bosch und Transparent.