28. August 2019, 15:04 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten
Handys, Navis und sogar das Babyphone – von all diesen Alltagsgegenständen geht Strahlung aus. Doch wie gefährlich sind die Mikrowellen, die im Volksmund eher als Handystrahlung bekannt sind, wirklich?
Ein Leben ohne WLAN, Smartphone oder das schnurlose Festnetztelefon scheint uns unmöglich zu sein. Da verwundert es nicht, dass die Zahl der Smartphone-Nutzer von rund 6,3 Millionen im Jahr 2009 auf rund 57 Millionen im Jahr 2018 in Deutschland gestiegen ist. Wir wollen mobil sein – und Technologien wie DECT, WLAN oder Mobilfunk, Bluetooth und Co. helfen uns dabei.
Doch all diese Geräte und Technologien strahlen mit Mikrowellen, deren Wirkung unter Experten umstritten ist. Bei Mikrowellen handelt es sich um hochfrequente, nicht-ionisierende Strahlung, die umgangssprachlich auch „Handystrahlung“ genannt wird. Viele Menschen fürchten sich vor den Folgen der Handystrahlung. Immerhin gibt es in diesem Zusammenhang seit Jahren Berichte über Krebserkankungen oder andere Folgeschäden. Im Zuge des aktuellen 5G-Ausbaus und der Errichtung entsprechender Funkmasten entflammt die Frage erneut: Wie gesundheitsschädlich ist Handystrahlung wirklich?
Stiftung Warentest: Keine höhere Strahlenbelastung durch 5G-Ausbau
Viele Kritiker befürchten, dass die Belastung durch elektromagnetische Felder durch 5G zunehmen und das Gesundheitsrisiko für den Menschen steigen wird. Sie verweisen auf ältere Studien, in denen durch stete Mobilfunkstrahlung ein erhöhtes Krebsrisiko bei Tieren nachgewiesen werden konnte.
Die Stiftung Warentest hat das Thema aufgegriffen und verschiedene Experten zum Thema Handystrahlung und deren Folgen befragt. Dabei berücksichtigte die unabhängige Verbraucherorganisation auch aktuelle Studien sowie wissenschaftliche Untersuchungen, die in internationalen Fachjournalen publiziert worden sind. Die gute Nachricht: Den Ergebnisse zufolge müssen wir uns wegen des 5G-Ausbaus wohl keine Sorgen um zusätzliche Belastung durch Handystrahlung machen.
Wie die Stiftung Warentest erklärt, wurden im Rahmen der Analyse auch die aktuell durchgeführten Versuche an Tieren untersucht und deren Aussagekraft und methodische Qualität von Toxikologen begutachten. Die Ergebnisse aller Studien sowie offene Fragen wurden anschließend mit Experten erörtert. Zu der Runde gehörten demnach auch Wissenschaftler, Ärzte sowie (kritische) Behördenvertreter.
So können Sie sich vor Handystrahlung schützen
Trotz der Ergebnisse sollte Handystrahlung aber nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) zufolge sind einige grundlegende Schutzmaßnahmen daher empfehlenswert. Zu diesen Maßnahmen wird geraten:
- Empfang im Auge behalten: Handys passen ihre Sendeleistung den Gegebenheiten vor Ort an. Je schwächer das Mobilfunknetz, desto stärker müssen die Geräte funken. Wer sich schützen möchte, meidet also Telefonate bei schlechtem Empfang, wie er im Zug, in Autos ohne Außenantenne oder in mangelhaft versorgten Gebieten auftritt.
- Handy weg vom Ohr: Die Intensität elektromagnetischer Felder sinkt mit der Entfernung schnell. Bereits wenige Zentimeter machen den Experten zufolge einen riesigen Unterschied. Daher ist das Telefonieren mit einem Headset empfehlenswert – vor allem für diejenigen Nutzer, die häufig längere Telefonate führen. Eine Alternative zum Headset ist das Freisprechen.
- SAR-Wert vor Handykauf prüfen: SAR steht für Spezifische Absorptionsrate und bezeichnet die Menge an Energie, die durch das sendende Handy vom naheliegenden Körpergewebe aufgenommen wird. Der gültige SAR-Höchstwert liegt bei zwei Watt pro Kilogramm. Für jedes Handymodell ermitteln die Hersteller den SAR-Wert mit einem standardisierten Test. Eine Liste mit den Testwerten veröffentlicht das BfS fortlaufend im Netz. Allerdings kritisieren die Warentester, dass der SAR-Wert bei maximaler Sendeleistung ermittelt wird – eine Leistung, die Handys in der Praxis kaum je erreichten. Daher sage der SAR-Wert über die tatsächliche Strahlenbelastung im Alltag wenig aus.
So lässt sich die Handy-Strahlenbelastung senken
Handystrahlung ist gefährlich, sagen Kritiker
Anders als die Ergebnisse der Stiftung Warentest sehen einige Experten aber durchaus eine erhöhte Gesundheitsgefahr durch Mikrowellen, also Handystrahlung. Ein Beispiel ist Wulf-Dietrich Rose, der sich seit mehr als 30 Jahren mit Elektrosmog beschäftigt. Im Jahr 1990 gründete er die Internationale Gesellschaft für Elektrosmog-Forschung (IGEF). 2018 hat er das Buch „Mikrowellen töten leise“ veröffentlicht. TECHBOOK hat mit Wulf-Dietrich Rose gesprochen. Schon seit Jahren warnt er vor dem negativen Einfluss von Elektrosmog und den schädlichen Auswirkungen von Mikrowellen.
Bei Mikrowellen handelt es sich um „technisch erzeugte hochfrequente elektromagnetische Wellen zwischen 10 Megahertz (MHz) und 300 Gigahertz (GHz)“, heißt es in dem Buch „Mikrowellen töten leise“och wie gefährlich ist sie wirklich?. Mikrowellen geben mit der Leistungsflussdichte das Maß für die Stärke der Strahlung an, Watt pro Quadratmeter wird die Maßeinheit genannt. Sie werden nach unten durch den Bereich der Radiowellen und nach oben durch den infraroten Bereich begrenzt.
Anwendungsfelder von Mikrowellen
Der Begriff Handystrahlung ist etwas irreführend. Denn anders als einige vielleicht vermuten, kommt die Strahlung nicht nur bei Handys und Smartphones vor. Eine ganze Reihe an Gegenständen sowie Technologien strahlen Mikrowellen aus. Dazu gehören unter anderem:
- WLAN (drahtlose Netzwerke)
- Schnurlostelefone
- Handys
- Bluetooth
- Mikrowellenherde
- Rundfunk
- Fernsehen
- Babyphone
- Medizintechnik
- GPS-Navigation und Radar
Da die hochfrequenten elektromagnetischen Felder mit dem Abstand zur Quelle hin abnehmen, sei das Handy laut BfS der Gegenstand, der uns der größten Belastung mit elektromagnetischer Strahlung aussetzen würde. „Denn beim Telefonieren ohne Headset hält man das Handy direkt ans Ohr“, sagt Anja Lutz vom Bundesamt für Strahlenschutz gegenüber TECHBOOK.
US-Behörde warnt vor Krebs durch Handystrahlung
Die Gefahren von Mikrowellen
Die Weltgesundheitsorganisation hat 2011 Mobilfunkstrahlung als „möglicherweise krebsverursachend“ eingestuft. „Unsere Schlussfolgerung bedeutet, dass es ein Risiko geben könnte und deswegen müssen wir die Verbindung von Mobiltelefonen und Krebsrisiko genau beobachten“, sagte der Leiter der Arbeitsgruppe damals.
„Nach derzeitigem wissenschaftliche Kenntnisstand schützen die geltenden Grenzwerte vor nachgewiesenen Gesundheitsrisiken“, sagt Anja Lutz vom Bundesamt für Strahlenschutz zu TECHBOOK. Diese Grenzwerte seien notwendig, da hochfrequente elektromagnetische Felder das menschliche Gewebe erwärmen können. Deshalb seien die Grenzwerte so ausgelegt, dass die Erwärmung auf ein unschädliches Maß begrenzt bleibe. „Das BfS empfiehlt zusätzlich, auch unterhalb der Grenzwerte unnötige Belastungen mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern zu vermeiden“, erklärt Lutz.
„Der Forschungsstand zu Mikrowellen ist immer noch schlecht, weil dieser Bereich nicht gefördert wird“, sagt Rose. Dennoch sei die Wissenschaft heutzutage deutlich weiter als noch vor 29 Jahren, als es von Rose geschätzt 20 Forschungsarbeiten zum Thema Elektrosmog gab, heute seien es rund 40.000 Forschungsarbeiten.
Wulf-Dietrich Rose leidet nach eigenen Angaben seit ungefähr 20 Jahren an einer Elektrosensibilität. Ursache hierfür, so mutmaßt er, sei auch sein zahlreicher sowie intensiver Kontakt mit Handystrahlung gewesen, den er aufgrund zahlreicher Messungen von Strahlung hatte. Doch was genau sind die Symptome von Elektrosensibilität? Da reagiere jeder Körper anders, über seine Internetseite erreichen ihn auch immer wieder Nachrichten von anderen Betroffenen, wie etwa diese Nachricht: „Mein Gesicht und Dekolleté waren krebsrot und sehr angeschwollen, die Hitze im Körper war unerträglich angestiegen, ich hatte das Gefühl, von innen zu verbrennen.“ Schlafstörungen sowie Zitteranfälle seien häufige Reaktionen. Bei ihm selbst äußere sich die Elektrosensibilität mit Herzrhythmusstörungen. Maximal 15 Minuten könne Rose zum Beispiel in der Nähe eines Handys sein. Er selbst besitzt gar kein Mobiltelefon mehr und auch sonst hat er den Anteil von Handystrahlung so gut es ging in seinem Umfeld minimiert. Ins Internet geht er über ein Kabel, verzichtet auf WLAN. Seit 14 Jahren lebt der Experte auf der spanischen Insel Teneriffa, auch um der Strahlung durch Mikrowellen besser zu entkommen.
In seinem Buch zitiert Rose auch andere Experten, etwa Prof. Dr. Heyo Eckel von der Bundesärztekammer: „Es gibt gewichtige Hinweise auf Schäden durch Mobilfunkstrahlung. Ich halte es für sorglos, wenn man an den bestehenden Grenzwerten festhält. Die zuständigen Behörden werden von uns dringend aufgefordert, sich mit den wissenschaftlichen Ergebnissen auseinanderzusetzen.“ Den emeritierten Prof. Dr. Karl Hecht der Humboldt-Universität zu Berlin, der 1500 russische Forschungsarbeiten im Auftrag des Bundesinstitutes für Telekommunikation ausgewertet hat, zitiert er wie folgt: „Biologische Wirkungen von elektromagnetischen Feldern bestehen unbestreitbar. Über Zusammenhänge mit Krankheiten, besonders Leukämie und Krebs, liegen Untersuchungen vor. Die Ergebnisse von Untersuchungen an Mensch und Tier zeigten ähnliche Effekte. Elektromagnetische Felder können als Distressor bewertet werden, dessen pathogene Wirkung erst nach Jahren sichtbar wird.“
Auch Wulf-Dietrich Rose ist sich sicher: „Die Strahlung durch Mikrowellen kann tödlich sein.“
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Wie gefährlich wird 5G?
„Die Frequenzen, die jetzt für die Nutzung für 5G versteigert werden, wurden auch in der Vergangenheit bereits für Mobilfunk und vergleichbare Nutzungen eingesetzt oder sind solchen Frequenzen benachbart. Daher können die Ergebnisse der zahlreichen vorhandenen Studien auch auf die jetzt versteigerten 5G-Frequenzen übertragen werden“, erklärt Anja Lutz vom BfS gegenüber TECHBOOK. Das Deutsche Mobilfunkforschungsprogramm (DMF) des BfS sei zum Beispiel so angelegt gewesen, dass dessen Erkenntnisse auch Aussagekraft für zukünftige technische Entwicklungen haben sollten. Der Frequenzbereich sei bewusst breit gefasst worden und ging in einigen Studien über die aktuell für den Mobilfunk genutzten Bereiche hinaus. Innerhalb der gültigen Grenzwerte für Mobilfunksendeanlagen und bei Einhaltung der im Rahmen der Produktsicherheit an Mobiltelefone gestellten Anforderungen gebe es demnach keine bestätigten Belege auf eine schädigende Wirkung des Mobilfunks. „Erst in einigen Jahren sollen neue Frequenzen für 5G eingesetzt werden, die weniger gut erforscht sind. Daher verfolgt das BfS die Planungen zur Einführung von 5G, vergibt Forschungsvorhaben zur Strahlenbelastung durch 5G und zu möglichen Wirkungen neuer Frequenzbereiche“, sagt Lutz.
Rose könne keine Angaben zu den möglichen Gefahren von 5G machen, da es noch keinerlei Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet gebe. Außerdem seien die Auswirkungen erst in zwanzig bis dreißig Jahren bekannt, wenn 5G erforscht ist. Einige Krankheiten wie etwa Krebs treten zum Beispiel erst nach Jahrzehnten auf. Dennoch sei davon auszugehen, dass die zukünftigen 5G-Frequenzen schädlichere Wirkungen haben als der aktuelle Mobilfunk, meint Rose.