20. Juni 2018, 14:53 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Der Handel mit Kryptowährungen wie Bitcoins verspricht schnelles Geld – doch dieser Reiz kann genauso schnell zur Sucht werden. Eine Klinik in Schottland hilft deshalb Betroffenen mit einer speziellen Therapie. TECHBOOK hat mit einem Therapeuten gesprochen.
Es sind Geschichten wie die des 19-Jährigen Erik Finman, die den Handel mit Kryptowährungen, allen voran mit Bitcoins, so reizvoll erscheinen lassen: Der Jugendliche brach die Schule ab und ist dennoch reicher, als es wohl die meisten Menschen auf dieser Erde sein werden – Finman besitzt mehrere Millionen. Seinen Reichtum hat er sich aber nicht hart erarbeitet, sondern mit Bitcoins generiert. Mit ein paar wenigen Klicks zum Millionär – ein Traum, den viele verfolgen, und Kryptowährungen scheinen der der perfekte Weg, um ihn zu erreichen.
Die Realität aber kann einige der schätzungsweise rund 13 Millionen Händler weltweit schnell wieder einholen. Vor allem, wenn aus dem Traum vom Reichtum nichts wird. Und einige Händler schaffen es nicht, sich dem Handel mit Kryptowährungen, wie Bitcoins, Litecoins oder Ethereum, zu entziehen. Sie können nicht aufhören, handeln immer weiter. In solchen Fällen kann nur noch eine Therapie den Süchtigen helfen. Im schottischen Peeblesshire bietet die Castle-Craig-Klinik Betroffenen einen Ausweg, therapiert mit einem speziellen Programm süchtige Bitcoin-Händler – nach eigener Aussage als erstes Krankenhaus weltweit. Behandelt werden sie unter anderem von Therapeut Chris Burn.
Bin ich handysüchtig und was kann ich dagegen tun?
Das Krankenhaus ist seit 1988 spezialisiert auf Spielsucht und hat nun das Therapie-Portfolio erweitert. „Wir haben eine Reihe von Behandlungsanfragen von Menschen erhalten, die besorgt waren, dass sie vom Kryptowährungshandel abhängig sein könnten, und wir haben festgestellt, dass Menschen, die mit Spielsucht aller Art zu uns kamen, manchmal auch mit Kryptowährungen gehandelt haben“, erklärt Chris Burn TECHBOOK.
Sucht vergleichbar mit Onlinespiel-Sucht
Bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Onlinespielsucht seit Kurzem als eigene Krankheit gelistet. Das zeigt, welche Bedeutung diese Sucht inzwischen innerhalb der Gesellschaft hat. Auch das schottische Krankenhaus nimmt die Zunahme vor allem bei Jugendlichen wahr, die süchtig nach Onlinespielen sind. Aus der ständig ansteigenden Betroffenenzahl schließen sie, dass auch die Zahl derjenigen, die süchtig nach dem Handel mit Kryptowährung sind, steigen wird. Der Grund hierfür: Beide Süchte haben viele Gemeinsamkeiten. Diese seien laut dem Experten von der Castle-Craig-Klinik: Aufregung, die Möglichkeit, dies rund um die Uhr zu tun, die Flucht vor der Realität sowie die Chance, dabei eine große Summe Geld verdienen zu können.
Diese Anzeichen verraten Süchtige
Die Sucht nach dem Handel mit Kryptowährungen gestehen sich nur die wenigsten Betroffenen ein. „Krypto-Händler und Tageshändler denken meist, dass alles in Ordnung ist – vorausgesetzt, sie verdienen Geld oder verlieren es zumindest nicht“, erklärt Burn. Diese Euphorie könne sie davon abhalten, die anderen negativen Konsequenzen zu sehen, etwa „Isolation, schlechte körperliche Gesundheit, Fettleibigkeit, Gefühle der Depression und Einsamkeit“.
Laut Entzugsklinik gibt es typische Anzeichen für eine solche Sucht:
- Menschen verbringen einen großen Teil ihrer Zeit mit dem Handel von Kryptowährung; checken permanent die Preise und denken ständig darüber nach.
- Sie werden gereizt und nervös, wenn sie nicht aktiv sind, und schlafen schlecht, weil sie andauernd über ihren Handel nachdenken.
- Schulden und finanzielle Probleme
- Sie belügen Freunde und Familie oder spielen ihre mit der Sucht verbundenen Aktivitäten herunter.
- Sie leiden an Stimmungsschwankungen, Hoffnungslosigkeit und Depressionen.
- Sie haben Angst, was zu körperlichen Symptomen wie Schwitzen und Zittern führen kann.
- Sie haben unrealistische Vorstellungen über Glück und Verlust.
- Sie versuchen, ihre Aktivitäten zu kontrollieren – ohne Erfolg.
- Sie widmen sich kaum noch anderen Aktivitäten wie Hausarbeit, Freunden oder Sport.
Die Therapie
Die Klinik gegen Süchte hat im Laufe des vergangenen Jahres immer wieder Anfragen von möglichen Patienten erhalten, die nach einer Behandlung fragten. Bisher habe erst ein Patient, der vom Kryptowährungshandel abhängig war, die Behandlung abgeschlossen, so Therapeut Chris Burn zu TECHBOOK. Dies liege auch daran, dass die Klinik ihr besonderes Behandlungsprogramm erst seit ein paar Wochen öffentlich anbietet. Burn gehe aber davon aus, dass in diesem Jahr noch weitere Patienten folgen werden.
Die Therapie folgt im Castle-Craig-Krankenhaus einem Zwölf-Punkte-Plan des persönlichen Wandels durch Selbstfindung, ehrliche Anerkennung des Problems sowie der Annahme von Hilfe. „Die Patienten übernehmen die Eigenverantwortung für ihre Genesung und teilen ihre Erfahrungen in Therapiegruppen und individuellen Beratungsgesprächen mit“, erläutert Burn. „Darüber hinaus wird eine kognitive Verhaltenstherapie eingesetzt, bei der die Patienten der Realität gegenübertreten und praktische Maßnahmen lernen, um Veränderungen herbeizuführen und neue Gewohnheiten zu erlernen.“
Die Menschheit sei generell sehr anfällig für Süchte aller Art, so die Einschätzung des Therapeuten. „Ich denke, wir werden künftig vermehrt diese Art von Sucht sehen. Es kann gut sein, dass sich noch andere Formen des Glücksspiels entwickeln und schon sehr bald andere Formen der Verhaltenssucht auftreten werden, aber sie werden bestehende Süchte nicht beseitigen.“