27. Mai 2019, 17:12 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Wann wird uns Menschen Technik ebenbürtig sein? Bereits in 43 Jahren soll es so weit sein, sagt Toby Walsh, Professor für künstliche Intelligenz.
Künstliche Intelligenz offenbart den ewigen Kampf: Mensch gegen Maschine. Wenn es nach Toby Walsh geht, werden diesen Wettkampf die Maschinen im Jahr 2062 gewinnen. „Wir haben mehrere hundert Jahre Zeit gehabt, uns an die Vorstellung zu gewöhnen, dass die Maschinen uns eines Tages überlegen sein könnten“, schreibt Toby Walsh, Professor für künstliche Intelligenz an der australischen University of New South Wales und Data61, in seinem Buch „2062 – Das Jahr, in dem die künstliche Intelligenz uns ebenbürtig sein wird“. Und er schlussfolgert: „Bis zum Jahr 2062 wird unsere Spezies vermutlich der Vergangenheit angehören. Der Homo digitalis wird die Oberhand gewinnen.“
Es gebe viele Gründe, warum Maschinen das größere Potential haben, klüger als wir zu sein. In einigen Eigenschaften unterscheidet sich die Technik ganz klar vom Menschen. So würden sie schneller arbeiten, in einer elektronischen nicht biologischen Geschwindigkeit. Außerdem hätten sie keinen begrenzten Speicher und könnten sogar so eng gesteckte Aufgaben, wie Schach zu spielen oder Dinge zu durchleuchten, auf einer übermenschlichen Ebene.
„Es besteht eine enorme Unsicherheit über den Zeitpunkt, wann Maschinen so schlau wie Menschen sein werden. 2062 war das durchschnittlich vorhergesagte Datum von 300 meiner Kollegen, anderen KI-Experten“, begründet Professor Walsh seine Prognose. Das Wichtigste an dieser Erkenntnis sei die Tatsache, dass die Technologie nicht innerhalb der kommenden zehn Jahre, aber eben auch nicht erst in 1000 Jahren gleichauf mit der menschlichen Intelligenz sei.
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Darum fürchten sich Experten vor künstlicher Intelligenz
Während die Technologien sich immer weiter entwickeln, stellen viele Experten aber auch Fragen zu den Risiken von KI. Wie gefährlich kann sie in den Händen der falschen Leute sein? Welche Rolle können autonom tötende Technologien in der Kriegsführung spielen? Die Bedrohung, die von Technik mit KI ausgehen kann, dürfe zwar laut Walsh nicht vernachlässigt werden, allerdings gebe es derzeit akute Gefahren, um die sich die Menschheit mehr sorgen sollte. „Im September 2017 befragte Times Higher Education fünfzig Nobelpreisträger zu den größten Bedrohungen für die Menschheit, und die KI schien diesen Personen weniger gefährlich als Klimawandel, Bevölkerungsexplosion, Atomkrieg, Krankheiten, Selbstsucht, Ignoranz, Terrorismus, Fundamentalismus und Donald Trump“, erklärt Toby Walsh in dem Buch.
Dennoch können wir nicht sagen, ob eine künstliche Superintelligenz in der Zukunft eine Bedrohung für unsere Existenz darstellen wird. Walsh aber rechnet damit, dass es bis zum Jahr 2062 ethische Roboter geben wird. Da autonome Maschinen zu diesem Zeitpunkt bereits fester Bestandteil unseres Alltags sein werden, müssen diese ebenfalls in der Lage sein, ethisch zu handeln. „Wahrscheinlich werden wir eines Tages tödliche autonome Waffen haben, die sich an die internationalen humanitären Vorschriften halten können. Wir werden jedoch nicht verhindern können, dass solche Waffen gehackt werden, um sie für ein unethisches Vorgehen zu programmieren“, schreibt der Autor.
Daneben berge die Technologie weitere Gefahren wie etwa fehlende Privatsphäre und Ungleichheit, die zum Beispiel durch Richterurteile via Software entstehen könnte. Dennoch seien die Möglichkeiten, die wir Menschen durch die Technologien der künstlichen Intelligenz erfahren können, kein Grund zum Fürchten. Der Homo digitalis biete dem Menschen auch viele Vorteile. „Wir sollten feiern, Maschinen können alle langweiligen, gefährlichen und schmutzigen Jobs tun und wir können uns auf die Dinge konzentrieren, die wichtig sind“, sagt Walsh zu TECHBOOK.
Regeln für Maschinen
Künstliche Intelligenz sei eine Technologie, die gut oder schlecht eingesetzt werden könne. In den vergangenen 30 Jahren habe es viele gute Auswirkungen in unserem Leben, hervorgerufen durch Technologie-Unternehmen, gegeben. „Wer könnte sich heute eine Welt ohne das Internet vorstellen? Aber nicht alles war gut. Und es ist klar, dass wir Vorschriften brauchen, um das Gemeinwohl zu gewährleisten. Sollten wir die Gesichtserkennung verbieten? Oder Killerroboter?“, gibt Walsh zu Bedenken.
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Das ist auch die Ursache, warum sich Walsh dafür ausspricht, dass Philosophen bei Tech-Unternehmen angestellt sein sollten. Die Technologie werfe viele herausfordernde Fragen auf. „Das Implementieren dieser in einen Computercode erfordert sehr genaues Denken“, sagt Toby Walsh. So hätte die Menschheit mehrere tausend Jahre Erfahrung mit philosophischen Gedanken, weshalb die Fragen der Technologie auch auf diese Weise ethisch gelöst werden sollten.
Bundesverband Künstliche Intelligenz: „KI hat Grenzen“
Doch wie werden die Theorien von Prof. Toby Walsh hierzulande gesehen? TECHBOOK hat beim KI Bundesverband e. V. nachgefragt. Der Verband besteht aus Mitgliedern aus mehr als 160 Unternehmen, Start-ups sowie Experten, bei denen die Technologien auf künstlicher Intelligenz basieren. „KI wird in vielen Bereichen gleiche oder bessere Fähigkeiten erwirken können“, sagt der Präsident des Bundesverbandes, Jörg Bienert, gegenüber TECHBOOK. Ebenbürtig, wie in dem Buch von Walsh angedeutet, werde die KI aber nicht sein. „Es wird starke künstliche Intelligenzen, vergleichbar mit menschlicher Intelligenz geben. Aber die Gesamtheit, die den Menschen ausmacht, wie etwa Kontext-Wissen, Gefühle oder Kreativität, da sehe ich Grenzen für die KI“, meint Bienert.
Im Umgang mit Technologie spricht sich Bienert für Regeln nach Augenmaß und von Fall zu Fall aus. Die breite Masse solle zu dem Thema ausgebildet werden. „Damit muss sich jeder auseinandersetzen – vom Schüler bis zum Manager. Dabei darf es nicht rein um den technischen Aspekt hinter der KI gehen, sondern auch um Auswirkungen in diesem Zusammenhang“, sagt Bienert.
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Die Zukunft
Der Menschheit ist nach bestimmten Kriterien wie etwa Lebenserwartung so weit fortgeschritten wie noch nie. Dies liege auch daran, dass es exponentielle Fortschritte in der Wissenschaft gebe. Da aktuell mehr Wissenschaftler als in der Vergangenheit leben, würde auch die Wissenschaft immer schneller voranschreiten. Allerdings mahnt Toby Walsh, es seien nicht allein die Technologien gewesen, die unser Leben verändert haben. Ebenso hätten sich die Gesellschaften umgewandelt, Institutionen wie Gewerkschaften, Arbeitsschutzgesetze, Bildung und der Wohlfahrtsstaat haben ihren Beitrag geleistet, allen Mitglieder der Gesellschaft mehr Wohlstand zu bescheren. Genauso werde künstliche Intelligenz unsere Welt verändern. „Die Welt des Jahres 2062 wird ganz anders aussehen als die, in der wir heute leben. Damit wir im Jahr 2062 das Leben führen können, das wir uns wünschen, müssen wir über einen umfassenden Umbau unserer Gesellschaft nachdenken“, schreibt Walsh und schließt mit der Aufforderung: „Machen wir uns an die Arbeit!“