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22. Februar 2025, 16:41 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Von nahtlosen Stahlrohren zu drahtloser Telefonie, für das einstige Traditionsunternehmen Mannesmann nur ein kleiner Schritt. Allerdings ein riesengroßer Fortschritt für die Entwicklung des Mobilfunks in Deutschland.
Als die Mannesmann-Tochter MMO am 30. Juni 1992 mit dem D2-Netz startet, blickt der Mutterkonzern schon über 100 Jahre Unternehmensgeschichte zurück. Im Jahr 1890 gründet das Remscheider Brüderpaar Max und Reinhard Mannesmann den späteren Mobilfunk-Pionier.
Vom „Mannesmannrohr“ zum Großkonzern
In den Anfangsjahren produziert Mannesmann Rohre und Röhren jeglicher Art. Mit dem sogenannten Schrägwalzverfahren haben die Mannesmann-Brüder eine Methode entwickelt, um Stahlrohre ohne Nähte herzustellen. Als Synonym für diese Art der Rohrproduktion verbreitet sich bald der Begriff „Mannesmannrohr“. Dadurch strahlt der Name Mannesmann schon bald und für viele Jahrzehnte von Düsseldorf aus in die ganze Welt hinaus.
In der Nachkriegszeit beginnt der langsame Umbau des Unternehmens. In den frühen 1980er-Jahren beginnt der Stahl- und Maschinenbau-Konzern sein Geschäft auf eine breitere Basis zu stellen. Mannesmann versucht sich als Automobilzulieferer und steigt gleichzeitig in den Bereich der Elektrotechnik ein. Im Jahr 1988 gehört die Mannesmann AG zu den Gründungsmitgliedern des Deutschen Aktienindex (DAX).
Mannesmann erster privater Mobilfunkanbieter
Genau in dieser Zeit entscheidet sich der damalige deutsche Postminister Christian Schwarz-Schilling, die Lizenzen für das D-Netz zu vergeben, das erste länderübergreifende, digitale Mobilfunksystem. Das Besondere bei der Vergabe: Erstmalig soll nicht nur die staatliche Bundespost eine Lizenz bekommen, sondern auch ein privater Anbieter.
Kleiner Exkurs: D-Netz steht nicht als Abkürzung für Deutschlandnetz oder digitales Netz, sondern ist die deutsche Bezeichnung für den einheitlichen europäischen Mobilfunkstandard Global System for Mobile Communication – kurz: GSM. Zuvor gab es schon die analogen Netze A-, B- und C-Netz. Der Name D-Netz ergibt sich aus diesem Muster.
Um dieses D-Netz bewerben sich zehn private Unternehmen, darunter auch ein Konsortium unter der Führung des Mannesmann-Konzerns. Am 7. Dezember 1989 erhält Mannesmann den Zuschlag für die private D-Netz-Lizenz. In der Folge versuchen die Bundespost-Tochter DeTeMobil und Mannesmann das D-Netz marktfähig zu machen.
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Keine Handys und hohe Kosten
Mannesmann gewinnt das Rennen um einen Tag und geht am 30. Juni 1992 mit seinem D2-Netz an den Start. Einen Tag später folgt das D1-Netz von DeTeMobil. Allerdings hat der Vorsprung nur symbolischen Wert. Denn zum damaligen Zeitpunkt hatte Mannesmann noch gar keine Handys, um seinen Tarif zu vermarkten.
Der Handy-Notstand und die hohen Kosten sorgen am Anfang für die größten Schwierigkeiten bei der Etablierung des D-Netzes in Deutschland. Ein mobiles Telefon wog damals so viel wie ein halber Liter Milch und kostete stolze 3000 D-Mark. Eine Minute telefonieren schlug mit 2 D-Mark zu Buche, bei einer monatlichen Grundgebühr von 70 D-Mark.
Damals soll Georg Schmitt, der Mannesmann-Technik-Chef, die Abkürzung GSM in „God send mobiles“ umgetauft haben. Den ersten D2-Kunden, Günther Brand aus Bochum, stört das alles nicht. Er sagt später, als Unternehmensberater sei er viel unterwegs gewesen und brauchte daher einfach ein Autotelefon – Kosten hin oder her.
SMS sorgt für Mobilfunk-Boom
Immerhin kommen noch ein paar hunderttausend weitere D-Netz-Kunden im Jahr 1993 hinzu. Der endgültige Durchbruch vollzieht sich ein Jahr später. Denn dann beginnt das SMS-Fieber in Deutschland. Mannesmann und DeTeMobil schalten die Kurznachrichten-Funktion für Handys frei.
SMS sind vor allem bei jungen Leuten beliebt, denn so eine 160-Zeichen-Nachricht kostet deutlich weniger als ein Telefonat. Inzwischen gibt es auch massenkompatible Geräte in ausreichender Anzahl und zu bezahlbaren Preisen.
Bis Ende der 1990er-Jahre steigt Mannesmann zu einem führenden Mobilfunkanbieter auf. Das Unternehmen etabliert auch Prepaid-Tarife namens „CallYa“. Im Jahr 1999 gibt es knapp 50 Millionen Mobilfunk-Kunden in Deutschland. Das „Handy für alle“, die Vision, mit der Mannesmann sich zehn Jahre zuvor um die D-Netz-Lizenz bemüht hat, steht kurz vor der Vollendung.
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Mannesmann auf dem Höhepunkt
Im November 1999 übernimmt Mannesmann den britischen Mobilfunkanbieter Orange. Der deutsche Mobilfunk-Pionier befindet sich auf dem geschäftlichen Höhepunkt. Der Umsatz beläuft sich zu Beginn des neuen Jahrtausends auf über 23 Milliarden Euro, mehr als 130.000 Menschen arbeiten inzwischen weltweit für Mannesmann.
Doch ein anderes britisches Unternehmen führt etwas im Schilde. Vodafone möchte Mannesmann übernehmen. Ein erstes Angebot beläuft sich auf 100 Milliarden Euro. Der damalige Mannesmann-Chef Klaus Esser lehnt mit den Worten ab: „Völlig unangemessen.“
Es folgt ein unschöner Übernahmekampf, in dem Mannesmann am 3. Februar 2000 nachgibt. Für unfassbare 190 Milliarden Euro wechselt die D2-Mobilfunksparte des Unternehmens zu Vodafone, bis heute die teuerste Fusion aller Zeiten.
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Vodafone-Übernahme sorgt für Rechtsstreit
In der Folge kommt es zu jahrelangen Gerichtsprozessen. Einige ehemalige Aufsichtsratsmitglieder von Mannesmann geraten in das Visier der Staatsanwaltschaft, darunter in erster Linie Klaus Esser. Für den Wechsel von Mannesmann zu Vodafone erhält der frühere Konzern-Chef eine Abfindung von knapp 30 Millionen Euro. Vor allem die darin enthaltene sogenannte „Wertsteigerungszulage“ von 16 Millionen Euro entwickelt sich zum zentralen Gegenstand des Rechtsstreits.
Erst im Oktober 2006 wird das Verfahren gegen Leistung einer Geldauflage eingestellt. Klaus Esser zahlt damals 1,5 Millionen Euro an den Staat und verschiedene gemeinnützige Organisationen.
Der Name Mannesmann ist zu diesem Zeitpunkt schon weitestgehend Geschichte. Die „Mannesmannrohre“ baut bis heute die Salzgitter AG. So lebt das ursprüngliche Geschäft des einstigen DAX-Unternehmens fort.