11. Dezember 2021, 12:42 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Was ist los bei Lycamobile? Der Mobilfunkanbieter hat in Deutschland Insolvenz angemeldet, arbeitet aber weiter. Doch ein näherer Blick auf die Situation wirft Fragen auf.
Lycamobile ist auf dem Mobilfunkmarkt in Deutschland ein alter, wenn auch nicht bei jedem bekannter Name. Der Anbieter wurde bereits 2006 gegründet, hat seinen Sitz in London und vertreibt in Deutschland seit 2010 hauptsächlich Prepaid-Tarife, die dank sich an Menschen richten, die häufig ins Ausland telefonieren möchten. Dafür nutzt Lycamobile hierzulande das Netz von Vodafone und bietet viele Tarife mit interessanten Auslandsoptionen an. Gleichzeitig liegt Lycamobile aber seit Jahren im Streit mit dem Finanzamt.
Übersicht
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Insolvenz von Lycamobile wegen Steuerschulden
Wie das Handelsblatt berichtet, hat Lycamobile in Deutschland seit Jahren offenbar keine Umsatzsteuer mehr abgeführt. Die Begründung des Unternehmens: Man habe 2013 einen Vertrag mit einer Schwestergesellschaft in Irland abgeschlossen und würde diverse Leistungen nun auf Provisionsbasis in ihrem Namen in Deutschland erbringen. Irland gilt aufgrund des niedrigen Unternehmenssteuersatzes von 12,5 Prozent (Trading Income) insgeheim als eines der „Steuerparadiese“ für ausländische Unternehmen – einen Vorteil, den auch Großkonzerne wie Apple, Google und Facebook für sich nutzen.
Das Finanzamt in Deutschland wollte das Argument mit der irischen Schwestergesellschaft aber nicht gelten lassen und pochte auf die Steuerzahlungen. Denn bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) sei Lycamobile Germany immerhin als Leistungserbringerin angemeldet – ein klares Indiz für eine Steuerpflicht in Deutschland. Auch vor Gericht bekam das Finanzamt Recht. Nach mehreren vergeblichen Klagen und Beschwerden sah sich Lycamobile in Deutschland im Februar 2021 Steuerschulden in Höhe von über 70 Millionen Euro gegenüber.
Die hohe Summe konnte der Mobilfunkanbieter nicht aufbringen. Vielleicht war das auch ein Grund, warum das Unternehmen Anfang Mai von der Lycamobile Germany GmbH in die Amalasandan Dienstleistungen GmbH umbenannt wurde. Nur 11 Tage später reichte das Unternehmen dann aber Insolvenz ein.
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Viele Fragen bleiben offen
Seit Juni versucht Insolvenzverwalter Jan Roth nun, Ordnung in die Unterlagen von der Amalasandan Dienstleistungen GmbH, ehemals Lycamobile Germany, zu schaffen. Doch das entwickelt sich offenbar als schwierig, wie das Handelsblatt berichtet. Denn das Büro ist verlassen, Unterlagen unvollständig und wegen des 2013 geschlossenen Abkommens mit der irischen Schwesterfirma zum Teil undurchsichtig. Auch Mitarbeiter sind nicht greifbar, da seit mehreren Jahren offenbar nur noch ein Mann für Lycamobile Germany arbeitet – Geschäftsführer Christopher Tooley, der in London sitzt.
Vor dem Hintergrund der Insolvenz scheint es fast schon seltsam, dass die Webseite von Lycamobile in Deutschland immer noch unverändert existiert. Auf ihr sind auch keine Informationen über den aktuellen Status des Unternehmens zu finden. Im Impressum findet sich kein Hinweis auf den neuen Namen Amalasandan Dienstleistungen GmbH und auch dem Netzbetreiber Vodafone, dessen Netz der Anbieter nutzt, ist der neue Name nicht bekannt.
Lycamobile hatte früher schon Ärger
Lycamobile vertreibt vor allem Prepaid-Tarife. Für die Registrierung der SIM-Karten ist seit Juli 2017 eigentlich ein Post- oder Video-Ident-Verfahren notwendig. So soll der Missbrauch von Handynummern vermieden werden, da sich die Karten nicht wie früher anonym nutzen lassen. Doch es finden sich unterschiedliche Berichte und Vorwürfe im Netz, nach denen Lycamobile diese Registrierung nicht immer so genau genommen hat. Offenbar wurden mitunter bereits auf Scheinadressen registrierte SIM-Karten ausgegeben. Und auch sonst sah man es mit der Identitätsprüfung wohl nicht so streng. Dem Anbieter wurde von verschiedenen Seiten vorgeworfen, Verbrechern und Terroristen wie dem Attentäter von Paris dadurch eine Möglichkeit der anonymen Telefonie geboten zu haben. Auch die undurchsichtigen Bilanzen standen bereits vor der Insolvenz in Kritik. Ebenso gab es Vorwürfe der Geldwäsche.
Hat die Insolvenz von Lycamobile Folgen für Nutzer?
Wie bereits erwähnt läuft die Webseite von Lycamobile trotz der Insolvenz wie gewohnt weiter. Kunden können dort weiterhin Tarife buchen, ihre Prepaidkarte aufladen und sich über Angebote informieren. Auch der Support scheint wie gewohnt verfügbar zu sein. Aktuell hat die Insolvenz von Lycamobile somit keinen Einfluss auf das Angebot und die Kunden. Laut Nachfrage vom Handelsblatt sind beim Partner Vodafone, der Lycamobile das Netz zur Verfügung stellt, keine Rechnungen offen. Die Leistungen kann das Unternehmen daher weiterhin anbieten. Wie lange dies aber noch der Fall ist, darüber ist aktuell nichts bekannt.