4. November 2023, 9:15 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Kurios: Zählt man die Ankündigungen der Netzbetreiber zusammen, wollen sie in Deutschland 52 Millionen Haushalte mit Glasfaser erschließen. Das sind 20 Prozent mehr als es wirklich gibt. Und trotzdem bekommt nicht jeder Haushalt einen Glasfaseranschluss. Im Hintergrund tobt ein Kampf um Marktanteile. Im Kreuzfeuer der Kritik steht die Deutsche Telekom.
Der Ausbau von Glasfaser ist in vollem Gange. Laut einer Marktanalyse des Beratungsunternehmens EY sind 700 Unternehmen, Netzbetreiber, Stadtwerke und Zweckverbände damit beschäftigt, die Glasfaser bis in die Häuser und Wohnungen (Fiber to the Home, FTTH) zu verlegen. Dabei kommen sich die Unternehmen ein ums andere Mal in die Quere
Übersicht
Der FTTH-Ausbau erfolgt vor allem dort, wo DSL, VDSL oder Kabelinternet nur geringe Bandbreiten liefern oder gar nicht zur Verfügung stehen. Aus Sicht der Deutschen Telekom ist das ein Angriff auf ihre Kunden, die der Ex-Monopolist über das Kupfernetz mit Internetzugängen versorgt. Überall dort, wo DSL-Kunden auf Glasfaser wechseln, verliert die Telekom zahlende Kunden. Deshalb baut auch der Telekommunikations-Riese Glasfasernetze – sowohl in Eigenregie als auch in Kooperationen, etwa über die Joint Ventures GlasfaserPlus oder Glasfaser Nordwest.
Der Vorwurf: Telekom will nur das Geschäft der Wettbewerber stören
Ganz so kooperativ geht es aber nicht überall zu. Der Telekom wird ein strategischer Überbau vorgeworfen. So wie die Wettbewerber dort Glasfaseranschlüsse bauen, wo es bereits DSL-Anschlüsse der Telekom gibt, überbaut die Telekom ihrerseits die Glasfasernetze der Konkurrenz mit eigenen Glasfasernetzen. Der Vorwurf lautet, dass die Telekom diesen Überbau nur deshalb macht, um das Business der Wettbewerber zu torpedieren.
Viele Unternehmen, die Glasfasernetze auf eigene Kosten bauen, kalkulieren mit einer konkreten Kundenzahl, mit der sich der Bau und Betrieb eines solchen Netzes rechnet. Außerdem gehen sie davon aus, dass die Telekom ihre Netze mitbenutzt, um Produkte wie etwa MagentaTV anzubieten. Meistens geht die Rechnung aber nicht auf, wenn die Telekom an gleicher Stelle ein zweites Glasfasernetz baut und eben nicht das Netz des Wettbewerbers nutzt.
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Telekom kritisiert überhöhte Preise für Netzzugang
Die Telekom erwidert, dass es allein ihre Entscheidung sei, dort Netze zu bauen, wo sie es für wirtschaftlich sinnvoll hält. Aus Sicht des Ex-Monopolisten sind zudem die verlangten Gebühren für die Mitbenutzung von Glasfasernetzen oft zu hoch. Darüber hinaus seien viele Angebote für eine solche Mitbenutzung, im Fachjargon Open Access genannt, unzureichend.
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Es fehle laut Telekom zum Beispiel an Serviceleistungen der Netzbetreiber oder an abgestimmten Prozessen, die im Hintergrund laufen. Was passiert beispielsweise mit dem Router beim Kunden, wenn er den Anbieter wechselt? Bleibt der Router in Besitz des vorherigen Anbieters, wechselt er den Besitzer oder muss er ausgetauscht werden?
Telekom wird „volkswirtschaftlicher Irrsinn“ vorgeworfen
Inzwischen ist ein heftiger Streit entbrannt. Nelson Kilius bezeichnete auf der Fachmesse ANGA COM den Überbau der Telekom als „volkswirtschaftlichen Irrsinn“. Kilius ist Sprecher der Geschäftsführung von M-net. Die Telekommunikationstochter der Münchener Stadtwerke muss derzeit erleben, wie die Telekom in der bayerischen Landeshauptstadt Glasfaser ausbaut. „Wenn bereits ein FTTB/H-Netz liegt, dann bitte baut doch woanders“, forderte er die Telekom auf.
Dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) liegen inzwischen 96 Fälle vor, in denen die Telekom einen strategischen Überbau betreiben soll. Das entspräche laut Expertenschätzungen rund 10 Prozent der derzeit laufenden Bauprojekte für Glasfasernetze.
„Niemand benötigt zwei Glasfasernetze in einer Kommune“, sagt Soeren Wendler, Mitbegründer der Deutschen GigaNetz. „Man hat auch keine zwei Wasser- oder Stromanschlüsse im Haus“. Der Überbau verkompliziere, verteuere und verlängere den Ausbau von Glasfaser, kritisiert Wendler.
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Baukapazitäten für Glasfasernetze sind knapp
Leidtragende sind die Verbraucher. Während durch den Überbau Haushalte an einigen Orten zwei Glasfaseranschlüsse erhalten, fehlen in anderen Orten die Baukapazitäten und die Bürger müssen weiter auf die Glasfaser warten. Dagegen werden woanders für zwei Glasfasernetze zweimal Straßen und Bürgersteige aufgerissen.
Außerdem kann bereits die Ankündigung für den Bau eines zweiten Netzes bei Kommunen für Verwirrung sorgen, wenn diese bereits eine Kooperation mit einem anderen Netzbetreiber abgeschlossen haben. Der zu erwartende Klärungs- und Gesprächsbedarf bringt Ausbaupläne ins Stocken. Teilweise ziehen sich die Netzbetreiber dann auch aus Kooperationen zurück, weil deren Wirtschaftlichkeit bedroht ist. Am Ende müssen die Bürger noch länger auf ihren Glasfaseranschluss warten.
Dass die Politik in diesem Streit eingreifen wird, ist allerdings unwahrscheinlich. „Wir haben überhaupt keine Anhaltspunkte für wettbewerbswidrigen Glasfaserüberbau“, sagte BMDV-Staatssekretär Stefan Schnorr auf der ANGA COM.