19. Februar 2018, 17:16 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
In WhatsApp-Gruppen werden Nutzern hohe Geldbeträge mit den richtigen Wetten versprochen. Sind die sogenannten Trading-Gruppen Abzocke? Verbraucherschützer Niels Nauhauser erklärt, was Nutzer beachten sollten.
Er posiert mit Geldscheinen in der Hand und sitzt in einem weißen Lamborghini: Markus Trading, wie er sich selbst nennt. Diesen Lifestyle könne jeder haben, verspricht er in seinem YouTube-Video: „Brummi, Lamborghini, 200.000 Euro in sechs Monaten, einfach nur geil!“ Wie das gehen soll? „In der WhatsApp-Gruppe“, verspricht Markus. Mehrere Hunderttausend Euro sollen Menschen mit den richtigen Finanz-Tipps in sechs Monaten verdienen können. Was steckt dahinter?
Angebliche Gruppenmitglieder stimmen Markus zu, so wie Niko, der seit acht Wochen dabei sein soll: „Bester Mann Markus, danke!“ Auch er hat sich angeblich durch die Gruppe einen Mercedes-AMG leisten können. „Bei mir läuft nicht, bei mir rennt“, sagt Niko, während er in seinem AMG sitzt und seinen Motor aufheulen lässt. „Ich habe es geschafft, jetzt bist du dran!“ – fordert Niko den Zuschauer auf. Sascha, ein anderes Gruppenmitglied erklärt, er habe 60.000 Euro verdient.
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„Nicht ein Funken Realität“
„Da steckt nicht ein Funken Realität drin. Diese Werbevideos bedienen sämtliche Klischees übers schnelle Reichwerden. Viel Geld in kurzer Zeit mit wenig Risiko und Aufwand ist ein unrealistisches Versprechen“, sagt Niels Nauhauser, Experte für den Bereich Banken und Kredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, gegenüber TECHBOOK.
„In solchen Trading-Gruppen wird gerne die Erwartung geschürt, jeder Privatanleger kann bei den Zockereien der Profis mitspielen und schnell reich werden. Das ist aber Unfug“, erklärt Nauhauser. Alles, was der Experte bisher in diesem Zusammenhang gesehen habe, sei unseriös gewesen.
Unter dem Video kommentiert Nutzer Christian Surges: „Ihr müsst aufpassen mit dieser Gruppe. Ich habe alle meine Freunde verloren vor Neid.“ Angst um die eigenen Freunde müssen WhatsApp-Nutzer nicht haben, allerdings auf ihr Geld aufpassen. Der Grund: „Selbst den weit besser ausgestatteten Profis gelingt es nicht, zuverlässig mit Tradingstrategien Geld zu verdienen“, sagt Verbraucherschützer Nauhauser. Dies liege vor allem daran, dass neue Informationen innerhalb von Sekunden in die Börsenpreise eingeflossen wären – und das bevor es möglich wäre, dass sie in derlei WhatsApp-Gruppen geteilt worden wären.
Zwar bestreitet der Verbraucherschützer nicht, dass es Menschen gibt, denen es gelungen sei, über solche Geschäfte in kurzer Zeit reich zu werden. „Aber macht ihn das zu einem guten Trader? Nein! Wer ein Casino mit vollen Taschen verlässt, ist doch auch kein guter Glücksspieler, oder?“, sagt Nauhauser.
Wir haben die Trading-Gruppe getestet
Wir haben es ausgetestet und „Bin dabei“ an die angegebene Nummer im Video geschickt. Bereits nach wenigen Minuten erhielten wir eine Antwort mit der Aufforderung, uns unter einem Link anzumelden. Anschließend sollten wir uns wieder melden. Wir klicken auf den geschickten Link und landen auf der Seite der Firma BDSwiss, eine Trading-Plattform.
Unter der Anmeldung bei BDSwiss steht auch gleich der Risikohinweis: „Der Handel mit Forex/CFDs und anderen Derivaten birgt ein hohes Risiko für Ihr Kapital. Sie können dabei all Ihr Vermögen verlieren. Diese Produkte sind nicht für jedermann geeignet. Gehen Sie daher sicher, dass Sie sich aller Risiken bewusst sind. Holen Sie, für den Fall, unabhängigen Rat ein. Spekulieren Sie nur mit Geldern, von denen Sie es sich leisten können, sie zu verlieren.“ Eine eindeutige Warnung also an alle, die tatsächlich den Versprechungen von Markus glauben.
Wir melden uns nicht auf der Plattform an, sprechen Markus Trading allerdings auf die beiden Risikowarnungen auf der Seite an. In dem Risikohinweis wird explizit gewarnt: „Sie können all Ihr Vermögen verlieren.“ Darauf angesprochen, verharmlost Markus Trading diese Warnung und schreibt: „Das ist nicht ganz richtig. “
Vertrauen wird Missbraucht
„Ich rate zu großer Skepsis, zumal man ja nicht überprüfen kann, wer da von wem was an Provisionen erhält“, erklärt Nauhauser. Wie in unserem Test gehen die Betreiber solcher WhatsApp-Tradinggruppen sehr einfühlsam vor, versuchen mögliches Misstrauen aus der Welt zu schaffen. „Die Gruppenmitglieder werden in einem eher privaten und persönlichen Umfeld angesprochen, die Empfehlungen kommen wie Tipps von guten Freunden daher“, sagt Nauhauser. Dadurch könnte die nötige Distanz fehlen. Die Hintermänner machen sich jedoch genau dieses persönliche Umfeld zunutze.
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Risikostufe: Hoch spekulativ!
Der Experte hält es für möglich, dass die Gruppen-Betreiber für die Vermittlung von Kunden eine Provision erhalten – und so von ihren eigenen Tipps an die Gruppenmitglieder finanziell profitieren würden. Die Wertpapiere, die die Mitglieder angeblich schnell reich machen sollen, werden auf Trading-Plattformen gehandelt. Pro neuem Kunden, der über einen speziellen Link dorthin gelangt ist, könnten die Hintermänner Geld erhalten. „Dort kann man dann sogenannte CFDs oder Binäre Optionen handeln. Das sind aber alles hoch spekulative Anlageprodukte, an denen sich selbst Profis noch die Finger verbrennen können“, warnt der Verbraucherschützer.
In den WhatsApp-Tradinggruppen werden angeblich geheime Informationen gehandelt, die Auswirkungen auf die Börse haben sollen. „Die Tipps sind vollkommen nutzlos“, so der Experte. Solche geheimen Informationen würden letztlich nicht lange geheim bleiben können und die entsprechende Nachrichtenlage von den Medien veröffentlicht werden.
In der Realität hätten Ereignisse wie etwa die Entlassung von amerikanischen Beamten aber nicht direkt Einfluss auf die Börsenpreise. „Preisänderungen an den Börsen sind auf kurze Sicht nicht prognostizierbar. Das ist die Evidenz der Kapitalmarktforschung der letzten Jahrzehnte. Es kann damit auch keine zuverlässige Tradingstrategie geben“, weiß Nauhauser. Letztlich sind Personen wie Markus Trading wohl die einzigen, die an diesen WhatsApp-Gruppen wirklich etwas verdienen.
„Das Gefährliche ist, dass man hier seinen gesamten Kapitaleinsatz nicht nur verlieren kann, sondern wahrscheinlich auch verlieren wird“, sagt der Experte. Deshalb sollten Sie auf jeden Fall die Finger von solchen Gruppen lassen!