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Vor 40 Jahren

Wie der Bildschirmtext BTX das Internet nach Deutschland brachte

Mit dem MultiTel ließ sich damals der Bildschirmtext abrufen.
Mit dem MultiTel ließ sich damals der Bildschirmtext abrufen. Foto: picture alliance / dpa | Karl Staedele
Lars Lubienetzki
Freier Redakteur

10. Juli 2023, 12:49 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Der Vater des deutschen Internets heißt Kurt Gscheidle. Noch nie gehört? Der SPD-Politiker verantwortet in den 1970er Jahren unter Bundeskanzler Helmut Schmidt den Posten des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Er ist es gewesen, der im Jahr 1977 auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin den neuen Postdienst „Bildschirmtext“, kurz BTX, vorstellt.

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Was Kurt Gscheidle damals nicht wissen konnte: Es werden sechs Jahre vergehen, bis der Bildschirmtext tatsächlich an den Start geht. Mit ihm bekommen die West-Deutschen einen Vorgeschmack auf den noch anstehenden Internet-Boom. Ein Bildschirmtext-Boom existiert hingegen nur in den völlig überzogenen Träumen irgendwelcher Postvorstände. Denn die Deutsche Bundespost ist nie dafür bekannt gewesen, technische Innovationen schnell und unkompliziert auf den Markt zu bringen. Es hat immerhin mehrere Jahre gedauert, bis das posteigene kieselgraue Wählscheiben-Telefon auch in den Farben Lachsrot und Farngrün erhältlich gewesen ist. So wundert es auch nicht, dass der Bildschirmtext als Vorläufer des heutigen Internets eher träge anlief.

Bildschirmtext basiert auf britischer Technik

Die Bildschirmtext-Geschichte beginnt nicht in Deutschland, sondern in einem anderen Land, in Großbritannien. Dort arbeiten Experten bereits seit dem Jahr 1972 an einem sogenannten „press telephone“ – kurz: PRESTEL. Diese Technik erblickt offiziell im Jahr 1979 das Licht der Welt und gilt als Vorlage für den späteren Bildschirmtext in der Bundesrepublik.

Den Weg in den Westen Deutschlands findet die Technik aufgrund eines Fachartikels. Den hat damals der Post-Mitarbeiter Eric Danke gelesen. Er hat maßgeblichen Anteil an der Bildschirmtext-Einführung in der Bundesrepublik Deutschland. Übrigens: Im Jahr 1995 übernimmt er die Leitung von T-Online, dem Onlinedienst der Deutschen Telekom.

Am 1. September 1983 ist es dann endlich so weit: Der Bildschirmtext – oder abgekürzt: BTX – öffnet bundesweit seine Pforten. Das Interesse bei den Kunden ist – milde ausgedrückt – zurückhaltend. Die Deutsche Bundespost rechnet bis Mitte der 1980er-Jahre mit einer Million BTX-Kunden. Diese Marke wird erst zehn Jahre später erreicht und auch nur, weil das BTX-Angebot inzwischen im Neuland Internet unter dem Namen T-Online firmiert. Ab 1995 ist BTX mit dem neuen Angebot inklusive E-Mail und Internet-Zugang gekoppelt, bis der Bildschirmtext Ende 2001 endgültig abgeschaltet wird. 

Lesen Sie auch: Die Geschichte des Teletextes – und wer nutzt ihn eigentlich noch?

Die drei großen BTX-Probleme

Das grundlegende, erste Problem: BTX ist teuer. Die Deutsche Bundespost wittert im Bildschirmtext eine Geld-Druckmaschine. Zu der Einrichtungsgebühr von 55 D-Mark summiert sich noch eine monatliche Grundgebühr von 8 D-Mark. Um eine Seite im „deutschen Internet“ aufzurufen, fallen weitere Gebühren an. Ein Seitenaufruf kostet zwischen 1 Pfennig und 9,99 D-Mark. Anstatt für einzelne Seiten zu bezahlen, verlangen manche Anbieter eine Zeitgebühr. Hier liegen die Kosten zwischen 1 Pfennig und 1,30 D-Mark pro Minute. Ganz schön happig.

Problem Nummer 2: Bis eine BTX-Seite in pixeliger Schönheit auf dem TV-Bildschirm erscheint, kann der Nutzer beruhigt in der Küche eine Kanne Kaffee aufsetzen. Die Rate der Datenübertragung liegt bei 1200 Bit pro Sekunde. Die Pixel tröpfeln daher auf den Bildschirm. Zum Vergleich: Heutige Übertragungsraten des heimischen Internets liegen im Megabit- bis Gigabit-Bereich.

Das dritte Problem: Wie schon angedeutet stehen die Begriffe Innovation und Deutsche Bundespost im krassen Gegensatz. Einige Drittanbieter verfügen bereits über eine BTX-Schnittstelle für gängige Heimcomputer, beispielsweise für den C64 von Commodore. Die Bundespost lässt allerdings in den Anfangsjahren keine externen Anbieter von Modems zu. Dadurch wird technische Innovation per System verhindert.

Shoppen, Chatten, Online-Banking per Bildschirmtext

Deswegen ist der Bildschirmtext von Anfang an zum Untergang verdammt gewesen. Dabei lassen sich über BTX schon in den 1980er-Jahren Produkte bestellen und nach Hause liefern. Denn alle großen Versandhäuser wie Quelle oder Otto bieten ihren Warenkatalog auch im Bildschirmtext an. Die Nutzer können auch miteinander chatten, obwohl es den Begriff damals noch gar nicht gibt. Außerdem lassen sich Nachrichten hin und herschicken. Mit sehr viel Fantasie lässt sich dieser Vorgang mit dem Schreiben einer E-Mail vergleichen.

Ein Service lässt sich damals tatsächlich als Innovation bezeichnen. Denn Bankgeschäfte können ebenfalls per Bildschirmtext erledigt werden. Als später in den 1990er-Jahren das Internet seinen Siegeszug antritt, bildet BTX die technische Grundlage für das Online-Banking. Die Einwahl per Bildschirmtext gilt lange Zeit als sicherste Zugangsmethode.

Deswegen fällt auch irgendwann die Millionengrenze bei den Nutzern. Neben dem Online-Banking interessiert sich allerdings schon längst niemand mehr für den technisch überholten Bildschirmtext. BTX entwickelt sich zu einer Art Technik-Zombie. Denn erst im Jahr 2007 schließt die Deutsche Telekom, der Nachfolger der Deutschen Bundespost, den Laden endgültig ab.

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Im Netz finden sich noch Fundstücke von ehemaligen BTX-Kunden, die über Jahre Monat für Monat Wartungsgebühren von der Telekom in Rechnung gestellt bekommen. So auch Günter Löscher, der zwischen 1991 und 2010 brav die Wartungsgebühr für ein MultiTel zahlte, ohne dies zu merken. Wie das passieren konnte, berichtet die „Welt“. Die Telekom-Rechnung landete jeden Monat auf dem Tisch seiner Buchhalterin. Darin aufgeführt war mit 17,10 Euro der Posten „Instandhaltung Nr.: 000011/0000000 vom 28.01.1991“, den sie nie infrage stellte. Als die Buchhalterin aber im Urlaub war und Löscher selbst die Rechnung begutachtete, fiel dem 62-jährigen Unternehmen der Posten auf. Über all die Jahre zog die Telekom insgesamt 4052,70 Euro für ein Gerät ab, das längst überflüssig und schon Jahre lang nicht mehr in Betrieb war.

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