13. Mai 2023, 10:11 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Sie sind das beliebteste Werkzeug auf Instagram: Reels und Stories. So einen kurzen Video-Clip bekommt jeder User im Handumdrehen hin. Praktischerweise lässt sich der eigene Film auch noch mit dem aktuellen Lieblingshit aus den Charts unterlegen. Stopp! Ab sofort betreten Sie möglicherweise ein urheberrechtliches Minenfeld. Wer muss sich ab sofort Sorgen machen?
Die Musik-Funktion in Instagram ist seit Kurzem ins Visier von Rechtsanwälten geraten. Zahlreiche User haben in den vergangenen Wochen unerfreuliche Post bekommen. Dabei handelt es sich um Abmahnungen wegen unerlaubter Musiknutzung. Die Strafe dafür liegt angeblich teilweise im fünfstelligen Bereich.
Worum geht es eigentlich?
Es ist eine kurze Meldung: Die Kanzlei B&B Beutler Brandt Rechtsanwälte verschicke Abmahnungen zur Geltendmachung von Synchronisationsrechten, heißt es auf der Rechtsplattform www.anwalt.de. Die Hamburger Kanzlei bezeichnet sich auf der eigenen Webseite als „Entertainment Lawyer“. Noch etwas deutlicher steht dort: „Wir beraten Sie in allen Ausprägungen der Unterhaltungsbranche. Rechtlich und unternehmerisch. In den Bereichen Musik, Film, Video und Werbung bis hin zu Influencern, Mode, Models und Games.“
Instagram-User hätten durch die Untermalung der eigenen Videos mit Musik Urheberrecht verletzt. Die abmahnenden Anwälte haben auf Instagram eine rechtliche Lücke entdeckt, auf die sie sich nun berufen.
Instagram bietet aktuell drei Account-Formen an:
- Privat,
- Creator und
- Business.
Die Nutzung der plattformeigenen Musikbibliothek zur Untermalung von Reels und Stories ist auf Instagram nur für private Zwecke zulässig. In den Meta-Richtlinien lautet die Formulierung: „Insbesondere die Nutzung von Musik für gewerbliche oder nicht private Zwecke ist verboten, es sei denn, du hast entsprechende Lizenzen eingeholt.“
Und genau da liegt die juristische Lücke.
Was viele Instagram-User nicht wissen: Ein privater Account, nach Definition von Instagram, ist nicht gleichbedeutend mit privater Nutzung. Anwälte, die auf Medien- und Urheberrecht spezialisiert sind, interessieren sich nur dafür, ob ein User mit seinem Kanal Geld verdient. Dann handelt es sich nämlich im Zweifelsfall um eine kommerzielle Nutzung, auch wenn der User einen privaten Account auf Instagram betreibt.
Deswegen sind von den Abmahnungen nicht nur Instagram-User mit einem Creator oder Business Account betroffen. Wer mit seinem privaten Account eine bestimmte Reichweite erlangt hat, sollte beim Einsatz von Musik vorsichtig agieren oder am besten ganz darauf verzichten.
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Hat Instagram denn nicht die Rechte für die angebotene Musik?
Die eindeutige Antwort lautet: Das weiß niemand. Seit dem Jahr 2021 gilt das sogenannte Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG). Dieses sprachliche Namensmonster regelt grundsätzlich die Nutzung von Musik auf Plattformen wie Instagram.
Dem Gesetzgeber ist bewusst: Die Verwendung von Musik auf Social Media lässt sich auf juristischem Wege nicht eindämmen. Deswegen sind Plattformen wie Instagram laut Gesetz in der Pflicht, „bestmögliche Anstrengungen zu unternehmen, um die vertraglichen Nutzungsrechte für die öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke zu erwerben.“
Ob Instagram, TikTok und Co. tatsächlich im Austausch mit Plattenlabeln stehen, um Rechte zu erwerben, ist für Außenstehende nicht erkennbar. Solche Gespräche laufen selbstverständlich hinter verschlossenen Türen.
Deswegen steht in Paragraf 6 des Gesetzes: „Ist dem Diensteanbieter die öffentliche Wiedergabe eines Werkes erlaubt, so wirkt diese Erlaubnis auch zugunsten des Nutzers, sofern dieser nicht kommerziell handelt oder keine erheblichen Einnahmen erzielt.“
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In allgemein verständlicher Sprache ist damit gemeint: Wenn beispielsweise Instagram eine Einigung mit einer Plattenfirma erzielt hat, bestimmte Lieder zu benutzen, dann gilt dieses Nutzungsrecht auch die User dieser Plattform – allerdings nur für private Zwecke.
Influencer, die regelmäßig auf ihren Kanälen Werbung für bestimmte Produkte machen, dürfen das nicht. Diese Gruppe hat allerdings auch keinen Zugriff auf die Musikbibliothek, besagen zumindest die Plattform-Richtlinien. Denn Usern mit einem Business Account steht nur eine abgespeckte Sound Collection mit lizenzfreier Musik zur Verfügung.
Rechtlich bedenklich wird es daher für jene User, die sich selbst gar nicht als Influencer bezeichnen würden, aus Sicht der Anwälte allerdings doch kommerziell auf Instagram unterwegs sind.
Und was ist mit der ‚15-Sekunden-Regel‘?
Innerhalb der Social-Media-Community ist immer wieder die Rede von einer ‚15-Sekunden-Regel‘. Demnach sei es legal, bis zu 15 Sekunden eines urheberrechtlich geschützten Liedes zu verwenden.
Vorsicht – hier lautet die eindeutige Antwort: Kommt drauf an. In Paragraf 10 des mehrfach erwähnten Gesetzes heißt es dazu, es handele sich dabei um eine „geringfügige Nutzung“. Diese darf allerdings nicht mit einem allgemeinen Nutzungsrecht gleichgesetzt werden.
Vom heutigen Standpunkt aus liegt nur eine sogenannte „unwiderlegliche Vermutung“ vor, heißt es dazu in Paragraf 9. Jetzt wird es juristisch spitzfindig: Wenn ein Musikstück nicht länger als 15 Sekunden für ein Video auf Instagram genutzt wird, liegt die Vermutung nahe, dies sei zulässig.
Die Rechtslage kann sich allerdings in der Zukunft ändern. Dann wird aus der „unwiderleglichen Vermutung“ plötzlich eine Urheberrechtsverletzung. Der ahnungslose Video-Ersteller haftet dann aufgrund der neuen rechtlichen Situation gegenüber dem Rechteinhaber. Das steht auch knallhart in den Musik-Richtlinien von Meta: „Du bist für die Inhalte verantwortlich, die du postest!“
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Was sollten Instagram-User tun?
Wenn bereits eine Abmahnung im Briefkasten gelandet ist, diese auf keinen Fall ignorieren. Es handelt sich dabei keineswegs um Abzocke, wie man als Betroffener beim ersten Blick vermuten könnte.
Wie wir in diesem Artikel aufgezeigt haben, ist die rechtliche Situation mehr als schwammig. Denn weder Plattformen wie Instagram noch der Gesetzgeber liefern eine eindeutige Definition, wann bei einem Account von privater Nutzung ausgegangen werden kann und wann nicht.
Am besten holen sich Betroffene User den Rat eines Anwaltes. Denn in diesem Fall schützt Ahnungslosigkeit nicht vor Strafe.
Dies ist keine Rechtsberatung!
Dieser Artikel ersetzt keine Beratung durch einen Fachanwalt. Wenn Sie hinsichtlich Ihrer Aktivitäten auf Instagram unsicher sind, warten Sie nicht erst auf eine Abmahnung. Kontaktieren Sie im Vorfeld einen Experten in Sachen Medien- und Urheberrecht.
Instagram-User, die über eine beträchtliche Reichweite verfügen, bislang allerdings noch keine unerfreuliche Post erhalten haben, sollten die eigenen Reels und Stories kritisch unter die Lupe nehmen.
Aus rechtlicher Sicht sollten sämtliche mit Musik unterlegten Videos offline genommen werden. Vermutlich wird es schon bald erste Urteile geben, die den rechtlichen Rahmen genauer definieren. Bis dahin verzichten Sie lieber auf urheberrechtlich geschützte Musikstücke als Story-Untermalung.
Nur jene Personen, die auf Instagram unterwegs sind und regelmäßig Tierfotos oder Bilder von der letzten Geburtstagsfeier bei Oma Erna posten, haben tatsächlich nichts zu befürchten.